Demokratie erfordert einen langen Atem

Arnd Bäucker 25.09.2024

Dokufilmer, junge Politiker und Experten waren sich bei einem Diskussionsabend in Marbach einig: Es gibt keine einfachen Lösungen gegen extremistische „Echokammern“.

Wie schafft man es, junge Menschen stärker für die Demokratie zu begeistern? Und welche Rolle spielen Medien dabei? Das angesichts der letzten Landtagswahlen brandaktuelle Thema stand im Mittelpunkt eines anregenden Film- und Diskussionsabends in der Marbacher Stadthalle. Im Rahmen der bundesweiten Dokumentarfilmtage Let’s dok diskutierten Filmemacherinnen, junge Politiker und Fachexperten für politische Bildung vor rund 60 Zuhörern.

Eine fundierte Meinung bilden

„Demokratie braucht viel Kraft und viel Puste,“ meinte Sabine Willmann zum Auftakt. Die Filmemacherin ist Kuratorin und Organisatorin von Let’s dok in Baden-Württemberg. Zur Demokratie gehöre, dass man sich eine fundierte Meinung bildet. Dokumentarfilme könnten demokratische Werte einem größeren Publikum nahebringen.

Franziska Wunschick, Erste Beigeordnete der Stadt Marbach, betonte als Vertreterin der mitveranstaltenden Gemeinde, Demokratie benötige Begeisterung. Und Medien wie Dokumentationen seien imstande, einen Beitrag für das bessere Verständnis unterschiedlicher Perspektiven zu leistenund zur Meinungsbildung beizutragen. Zwei Kurzfilme verdeutlichten, wie so etwas gehen kann. Der erste, „Demokratie sind wir!“, entstand an der Marbacher Tobias-Mayer-Gemeinschaftsschule. Gezeigt wurde, wie Schüler an ihre ersten Wahlen im Frühjahr herangeführt wurden. Der zweite Kurzfilm, „Hotel Silber – nie wieder zurück“, realisiert von zwei jungen Filmemacherinnen an der Merz Akademie – bot eine fiktive Rahmenhandlung, die Story einer Journalistin, die über die Gedenkstätte Hotel Silber in Stuttgart recherchierte. Dabei kamen Fakten über die frühere Gestapo-Zentrale zur Sprache, konkrete Informationen über diesen Ort der Erinnerungskultur.

Es gibt keine einfachen Rezepte

In der Podiumsdiskussion moderierte die Kuratorin Sabine Willmann eine Runde von Teilnehmern, die alle mit dem Thema Demokratie, Medien und Jugend zu tun haben. Deutlich wurde: Gerade in krisenhaften Zeiten spielten Medien eine entscheidende Rolle beim Bemühen, die Demokratie gegen extremistische Tendenzen zu stärken. Es gebe aber auch kein einfaches Rezept gegen vereinfachende Stammtisch-Parolen und die „Bubbles“, Blasen oder Echokammern, in denen Menschen nur noch ihre eigene Meinung hören und sich durch Gleichgesinnte laufend weiter bestärkt sehen. Eingeladen waren auch zwei junge Gemeinderäte; sie wurden nach ihren Erfahrungen gefragt: Phileas Hammer, der seit diesem Jahr für die CDU im Marbacher Gemeinderat sitzt, und Sara Tadix, Gemeinderätin in Kernen. Sie berichteten, dass demokratisches Engagement zwar Zeit koste, berichteten aber auch von ersten Erfolgserlebnissen. Interessant waren Antworten auf Willmanns Frage, was unter Demokratie zu verstehen sei. Tadix sagte: „Demokratie beginnt da, wo die Menschen beginnen, miteinander zu sprechen, nicht übereinander.“ Thomas Franke von der Landeszentrale für politische Bildung, betonte, Demokratie müsse vor allem auch als „eine Lebensform“ verstanden werden, man müsse für sie aktiv werden. Die Menschen sollten nicht in ihren Echokammern bleiben. Sie da herauszuholen, sei „allerdings durch die sozialen Medien schwerer geworden“. Friedemann Rincke vom Stuttgarter Haus der Geschichte nannte die Demokratie ein „weiches“ Angebot, im Wettbewerb etwa mit „Rassismus“. Der könne attraktiv sein, weil er Macht verspräche, Demokratie dagegen verlange, mit anderen zu teilen, „Demokratie ist anstrengend“.

Die demokratische Erziehung sollte noch früher ansetzen

Wie kann man aber die Jugend wirkungsvoll ansprechen? Marc Richter, der als Oberstudienrat an der Tobias-Mayer-Gemeinschaftsschule arbeitet, wies darauf hin, dass junge Menschen gerade in der herausfordernden Zeit ihrer Schulprüfungen erstmals mit dem politischen Mündigwerden konfrontiert würden, dem müsse man Rechnung tragen. Ann-Cathrin Schlieder, eine der Macherinnen von „Hotel Silber“, meinte, die demokratische Erziehung sollte noch früher ansetzen. Phileas Hammer sagte, es müsse gelingen, das Positive der Demokratie viel stärker bewusst zu machen. Kompromisse seien viel besser als Konfrontationen. „Im Unterricht wird darüber zu wenig gesprochen,“ so der jugendliche Gemeinderat. Einigkeit bestand darin, dass die politische Bildungsarbeit für die Jugend verstärkt werden und neue Wege beschritten werden sollten. Sabine Willmann verwies auf ihren mit rund 100 Teilnehmern sehr gut besuchten Workshop am Nachmittag, als es im Begegnungszentrum Q in Marbach um Medienkompetenz gegangen war. Sie zog Bilanz: „Es lohnt sich, für die Demokratie und für das Miteinander einzutreten.“ Ein passendes Schlusswort zu einer Veranstaltung, der man noch mehr Teilnehmer gewünscht hätte.

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